Mehr Raum fürs Lebensgefühl

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Die Küche drückt immer öfter den persönlichen Lebensstil der Bewohner aus. Zu Besuch in vier Haushalten, in denen die Küche nicht bloß zum Kochen da ist.

Wohnküche mit Klavier

Ein klassisches Wohnzimmer? Nicht bei Melanie Ledermann. Die Räume ihrer Wohnung in Berlin nutzte die Chefstewardess konsequent um. Im Mittelpunkt: eine Wohnküche.

Lernen in der Wohnküche. Foto: Jonas Friedrich

Melanie Ledermanns großzügige Altbauwohnung im Erdgeschoss hat alles, was der Chefstewardess gefällt: Fischgrätparkett, hohe Decken mit Stuck und Flügeltüren. Bloß die Raum­aufteilung war nicht optimal: Für jedes Kind ein eigenes Zimmer war nicht drin. Mit Erlaubnis ihres Vermieters ließ Ledermann deshalb notwendige Leitungen und Anschlüsse für die Küche ins Wohnzimmer verlegen. Die Einrichtung sollte aber mehr als dem Kochen dienen. „Ich wollte es wohnlich und fröhlich”, erzählt Ledermann.

Jetzt lädt beispielsweise ein Sessel zum Entspannen ein, und sogar ein Klavier hat seinen Platz gefunden. „Wer darauf spielen möchte, ist immer herzlich dazu eingeladen.” Vielleicht einer der spontanen Besucher, die sie gerne empfängt. Tochter Lisa hat nun ihr Zimmer in der ehemaligen Küche. Ihre Hausaufgaben erledigt sie aber gerne am großen Esstisch, und auch sonst spielt sich dort der Alltag ab. Für noch mehr Gemütlichkeit kann sich Ledermann ein Sofa vorstellen. Der Platz dafür wäre da.

Offene Raumgestaltung im alten Stadthaus

Als Raumausstatter richtet Thorsten Winkelmann Geschäfte neu ein. Seine Leidenschaft für Raumgestaltung lebt er auch zu Hause aus.

Offene Gestaltung: Thorsten Winkelmann in seiner Küche. Foto: Jonas Friedrich

Winkelmanns Unternehmen ist spezialisiert auf Ladenbau. Sein Anspruch: Keine standardisierte Inneneinrichtung, sondern emotionales Erlebnis. Dafür gibt er Geschäften einen völlig neuen Look. „Kunden sollen beim Betreten in eine eigene Welt eintauchen”, erzählt Winkelmann.

Mit dem gleichen Enthusiasmus restauriert er seit ein paar Jahren das Stadthaus in Fulda, das der Familie seit fünf Generationen gehört. Dabei krempelte er auch seine Wohnung um: „Ich wollte es großzügig und luftig haben.” Deshalb setzte Winkelmann auf eine sehr offene Raumgestaltung. Türen? Gibt es nicht, außer beim Bad. Wo früher das Esszimmer war, befindet sich jetzt eine Küche im Vintage-Stil. Das neue Zentrum der Wohnung, inklusive siebenflammiger Gasherd. „Ein Wunsch, den ich mir endlich erfüllt habe”, freut sich Winkelmann.

Genauso wie die große Terrasse, die einen Teil des Wohnraumes einnimmt. So fügt sich für ihn alles zusammen: Wenn Gäste kommen, beginnt der Abend meist am Küchenblock und wird später auf der Terrasse fortgesetzt. Wird man denn je fertig als Perfektionist? „So wie es jetzt ist, gefällt es mir sehr gut.” Nur die schwarzen Wandfliesen aus einer U-Bahn-Station fehlen noch.

Küchensofa mit Nostalgiewert

Maria Thomas lebt gemeinsam mit ihrer Tochter in einer Altbauwohnung in Berlin. Mit wenig Aufwand hat die Stylistin und Kostümbildnerin eine Wohnküche eingerichtet, die Arbeiten, Kochen und Entspannen vereint.

Liebt ihr grünes Sofa: Maria Thomas entspannt gerne in ihrer Küche. Foto: Jonas Friedrich

Das grüne Ecksofa liegt Maria Thomas besonders am Herzen. Fast fünfzig Jahre alt ist es, aber Bezug und Polsterung sind noch original. Echte Handarbeit eben. Es gehörte ihren Eltern, und als Kind tobte Thomas da­rauf herum. Später bekam sie es geschenkt, und es wurde zur Spielwiese für ihre Tochter. Als sie vor zweieinhalb Jahren ihre Wohnung im Bezirk Prenzlauer Berg bezog, war klar: Das Sofa muss auf jeden Fall mit. Nur, wohin damit? 

„Zum Glück bietet die Küche genug Platz für eine Sofaecke”, erzählt Thomas. Damit war die Sache für sie schnell entschieden: Dieses Zimmer wird zu einer Wohnküche. Bei der Einrichtung ging Thomas pragmatisch vor. Der Raum brachte dafür gute Voraussetzungen mit: Die Dielen waren bereits abgeschliffen, die Fliesen an den Wänden und die Wände glatt verputzt. Die Küchenzeile übernahm sie vom Vormieter. 

„Eigentlich brauchte ich nur noch zu streichen und meine eigenen Möbel hinzuzufügen.” Thomas entschied sich für einen Grauton als Wandfarbe. „Die Küchenfront ist ja schon weiß und die Fliesen gelblich. Ich wollte einen Kontrast dazu und gleichzeitig eine gedämpftere Stimmung erzeugen.”

Die Idee funktioniert: Im Zusammenspiel mit den weiteren Einrichtungsdetails wirkt der Raum gemütlich. Kein Wunder also, dass Thomas ihren Laptop auch mal gerne am Küchentisch oder auf dem Sofa aufklappt, um ein paar Dinge zu erledigen. Ihr Arbeitszimmer nutzt sie dafür natürlich ebenso, dort verstaut sie auch zahlreiche Kisten: „Ich habe jede Menge Accessoires, die ich für meine Arbeit brauche, von Krawatten bis Schmuck. Diese stelle ich für unterschiedliche Jobs immer wieder neu zusammen.”

Auch das Miteinander findet in der Wohn­kü­che statt. „Klar, meine Tochter ist schon 16  Jahre alt, aber ich stehe immer noch gerne morgens auf und mache ihr Schulbrote.” Ebenso die Hausaufgaben und das Lernen für die Schule: Auch das wird dort erledigt. Vor allem aber ist es ein Ort, wo die beiden alles besprechen können, was die Tochter auf dem Herzen hat.

Und wenn Thomas entspannen möchte? Rauf aufs Sofa. Mit einem Buch zum Lesen oder dem Laptop, um einen Film zu schauen, denn einen Fernseher braucht sie nicht. Oder sie lädt sich Freunde ein. Die Wohnküche bietet ja genug Sitzgelegenheiten für zahlreiche Gäste.

Mehr Raum für Gesellschaft

In Berlin-Neukölln haben Jonas Friedrich und seine Frau Johanna Schraut eine neue Wohnung gefunden. Die schönste Veränderung für die beiden: die Aufteilung der Räume, die verschiedene Wohnbereiche ermöglicht und zugleich mehr Miteinander zulässt.

Küche mit Durchbruch: für Jonas Friedrich und seine Frau ein echter Gewinn. Foto: Bernhard Huber

Für den Fotografen und Kameramann Jonas Friedrich beginnen die Arbeitstage mal früher, mal später. Ebenso für seine Frau, die als freischaffende Kostümbildnerin und Stylistin arbeitet. „Einer von uns ist meistens früher wach”, erzählt Friedrich. Das klassische Frühstück am gedeckten Tisch gibt es bei den beiden nicht, ein Miteinander schon: „Während ich in der Küche bin, kann ich mich mit meiner Frau unterhalten, die am Wohnzimmertisch sitzt und am Computer arbeitet. Das ist toll.” 

Dafür sorgt ein großer Wanddurchbruch, der die Küche zum Wohnzimmer hin öffnet. Der Blick selbst wird durch nichts versperrt: Auf der Küchenseite befindet sich lediglich eine große Arbeitsfläche. Quatschen beim Kaffee machen oder Gemüse schnippeln? Kein Problem. Zudem erweitert ein Balkon den Raum, der durch eine großzügige Verglasung viel Licht in die fensterlose Küche fallen lässt. 

Ein weiterer Effekt: Es kommen viel öfter Freunde vorbei, ob zum gemeinsamen Kochen oder einfach nur für ein nettes Beisammensein. Dabei geht es jetzt viel ungezwungener zu: „Im Gegensatz zur alten Wohnung haben wir jetzt jede Menge Platz, und wenn jemand in der Küche zu tun hat, ist er nicht mehr außen vor.”