Schicht für Schicht: Wärmedämm-Verbundsysteme

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Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS) halten im Winter die Wärme im Haus. Trotzdem haben sie nicht durchgängig einen guten Ruf. Brandgefährlich und ineffizient sollen sie angeblich sein. Wie ökologisch sind WDVS wirklich? Und wie viel Wärmedämmung ist eigentlich genug?

Ein System für alle Fälle: Wer in Zei­ten schwankender Energiepreise seine Hausfassade dämmen will, um Eventualitäten zu trotzen, kann dabei auch auf Wärmedämm-Verbundsysteme zurückgreifen. Solche Kom­plettlösungen bestehen aus Dämmstoff, Armierung, Klebemasse und Fassadenputz. Die einzelnen Komponenten sind opti­mal aufeinander abgestimmt und zudem verhältnismäßig einfach zu verarbeiten. Zudem haben Sie die Gewissheit, dass Brandschutz- und Sicherheitsvorschriften erfüllt werden. Beratung und Installation sind Aufgaben für Fachbetriebe. 

Bild: C3 Visual Lab

Sanierer haben dabei – je nach Definition – die Auswahl zwischen zwei oder drei ver­schiedenen Materialtypen: natürliche Stoffe wie Holz oder Kork, synthetische (organi­sche) Stoffe wie Styropor, das besonders häufig verwendet wird, und synthetische (anorganische) Stoffe, wie zum Beispiel die ebenfalls beliebten Mineralwollen. Auf jeden Fall sollte bei einer energetischen Sanierung auch die Materialfrage beachtet werden (siehe weiter unten Interviewfragen 2 und 3).

Warum sind WDVS relevant?

Etwa 30 bis 35 Prozent der Wärme gehen über die Wände verloren und können durch eine passende Dämmung eingespart werden. Entscheidend bei der Planung ist der sogenannte U-Wert mit der Einheit Watt/(Quadratmeter x Kelvin). Dieser Wert beschreibt, wie energiedurchlässig eine Wand ist, und sollte dementsprechend niedrig sein. Zur Orientierung: Eine gut gedämmte Wand verfügt über einen Wert unter 0,24 W/(m² x K.)

Bild: C3 Visual Lab

Wo sind WDVS sinnvoll?

Vor allem Besitzer älterer Immobilien soll­ten über eine Anschaffung nachdenken. Die Stiftung Warentest kommt in einer Studie von 2020 zu dem Fazit, dass sich eine energetische Sanierung vor allem bei Häusern lohnt, die vor 1980 gebaut wur­den. Bei Gebäuden aus den 1990er-Jahren sollte man zumindest ganz genau nach­rechnen. Außerdem gilt bei der Sanierung: Vorhandene Bausubstanz sollte nicht ka­puttgehen. Für Besitzer von extravagan­ten Immobilien wie Jugendstilhäusern mit Fassadenstuck ist die Wärmedämmung eher keine Option.

Wer hingegen neu baut, sollte aber auf jeden Fall über ein WDVS nachdenken: Laut einer Studie des Instituts für Energie- und Umweltforschung von 2021 kann Wärmedämmung die Ar­beit von Erzeugern erneuerbarer Energie wie Wärmepumpen und Solarkollektoren unterstützen. Wärmepumpen funktionie­ren nämlich besonders effizient bei einer niedrigen Vorlauftemperatur. Die richtige Wärmedämmung schafft dafür die Voraussetzungen. Je mehr Energie im Haus bleibt, desto weniger Arbeit für die Wärmepumpe.

Bild: C3 Visual Lab

Lohnt sich ein WDVS?

Die Angaben darüber, wann sich ein WDVS amortisiert, gehen stark auseinan­der und hängen von vielen Faktoren ab, die zum Teil nicht beeinflussbar sind: Bau­jahr des Gebäudes, Qualität der Bausub­stanz, Material oder die Entwicklung von Energie- und CO2-Preisen. Das Forschungs­institut für Wärmeschutz (FIW) in München fand 2014 in einer Studie heraus, dass sich eine Sanierung von Gebäuden zwischen 1977 und 1995 etwa nach neun bis 22 Jahren amortisiert. Sprechen Sie darüber am besten mit einem Energieberater.

Unser Experte im Interview

Welches Material ist das beste? Wie viel Wärmedämmung ist genug? Unser Experte Harry Luik über die wichtigsten Fragen bei der Wärmedämmung.

Foto: Verbraucherzentrale NRW

Welches System ist für mich das richtige?
Wärmedämm-Verbundsysteme ähneln sich in ihrem Aufbau. Sie unterscheiden sich aber zum Beispiel in der Art, wie die Dämmplatten angebracht werden, was vor allem vom Gebäudetyp abhängt. Zumeist können sie gedübelt oder geklebt werden. Auf unebenen Flächen können Schienensysteme verwendet werden.

Die Systeme unterscheiden sich außerdem bei der Wahl des Dämmmaterials, was häufig aber auch eine Geschmacksfrage ist und weder finanziell noch ökologisch große Auswirkungen hat. Ob ein Dämmsystem hochwertig ist, hängt in erster Linie vom Putzaufbau ab. Wer hier spart, wird schon in wenigen Jahren korrigieren müssen. Grundsätz­lich kann man fast jedes Gebäude dämmen. Man sollte allerdings nicht jedes Gebäude dämmen (siehe Frage 9).

Wie unterscheiden sich die Materialien?
Man unterscheidet hier zwischen organischen und anorganischen Stoffen. Am weitesten verbreitet sind Polystyrol (also Styropor) und Mineralwolle beziehungsweise Steinwolle.

Diese beiden Materialien sind auch am günstigsten. Andere Stoffe wie Mineralschaum, Holz, Hanf, Kork, Polyurethan oder Phenolharz sind seltener und etwas teurer. Faktoren, die häufig beim Materialvergleich für den Nutzer eine Rolle spielen, sind Effizienz und Ökologie.

Während Phenolharz und Polyurethan besonders effizient dämmen, gelten Hanf oder Kork als ökologisch. Aber da ist Vorsicht geboten: Wenn man sich anschaut, was bei Hanfplatten an künstlichen Stoffen enthalten ist, muss man sich fragen, was daran noch biologisch sein soll. Das ist dann mehr Marketing als Realität.

Wie ökologisch sind die Materialien?
Anhand des Materials lassen sich keine pauschalen Rückschlüsse auf den ökologischen Fußabdruck ziehen. Sehr gutes Holz, gute Steinwolle, schlechtes Styropor? So einfach ist das nicht. Sicher, Styropor wird aus Erdöl hergestellt, und das will nicht jeder bei sich am oder im Haus haben. Allerdings lässt sich der Stoff bei einer vernünftigen Trennung vom Putz ohne Weiteres wiederverwenden.

Holzfaser­platten hingegen werden mit Bioziden und auch Flammschutzmitteln ausgerüstet. So ist es schwerer zu kompostieren. Ich persönlich halte Mineralwolle für die beste Wahl. Ein sehr guter Kompromiss, der an ziemlich jedem Gebäudetyp ver­baut werden kann. Grundsätzlich hat allerdings jedes Material auf­grund der Energieersparnis positive Effekte auf das Klima.

 

Fotos: Verbraucherzentrale NRW

Wie aufwendig ist der Aufbau?
Wer handwerklich ein wenig fit ist und genug Zeit mitbringt, der oder die kann auch selbst ein Wärme­dämm-Verbundsystem anbringen. Dies gilt auch für Reparaturen. Ich empfehle aber jedem, sich selber zu informieren und nicht einfach den günstigsten Systemaufbau zu wählen.

Die Hersteller schauen vor allem auf Kosteneffizienz. Sie werden nicht von selbst aus dazu raten, dass man besser zwei Armierungsgewebeschichten und dickeren Putz auftragen sollte. Wenn Wärmedämm-Verbundsysteme allgemein in Verruf geraten, dann vor allem wegen besonders billig verarbeiteter Systeme.

Welche Fehler kann ich machen?
Bei der Verklebung fängt es an, da sollte man mit dem Kleber nicht zu sparsam sein und die richtige Klebetechnik beachten. Sonst können sich die Platten verformen und die Fassade reißt. Fehlerhafte Verklebung kann zu Luftkonvektionen hinter Dämmplatten führen, was Feuchteschäden ergeben kann. Hohlräume und Fugen führen zu Wärmebrücken, die nicht nur Wärmeverluste erzeugen, sondern auch zu Schäden führen. Es dürfen keine Reste verarbeitet werden und die Platten müssen im Verband verlegt werden. Die meisten Fehler finden sich an Anschlüssen zu Fenstern, Fensterbänken und am Dach. Abrisse führen zu Wassereintrag. Im Sockelbereich sind Dämmplatten und Putze gegen Feuchtigkeit zu schützen.

Wie viel Dämmung ist genug? Woran erkenne ich, ob genug gedämmt ist?
Ich muss zugeben: Bei meinem eigenen Gebäude liege ich mit 30 Zentimetern Dicke weit über der optimalen Effizienz. In diese Bereiche jenseits der Wirtschaftlichkeit kommt man nur, wenn man die Passivhauskriterien zur Förderung durch die KfW Bankengruppe erfüllen will. An sich ist man mit 14 bis 16 Zentimeter Dicke im optimalen Bereich. Darüber hinaus kommt man nur zu geringen Zugewinnen in Sachen Dämmwirkung. Es wird dann auch für die Fassadenkonstruktion schwieriger. Die effektivsten Verbesserungen finden am Anfang statt, etwa bei acht bis zehn Zentimetern. Es wäre also besser, wenig zu dämmen als gar nicht.

Das Problem ist jedoch, dass das Gebäudeenergiegesetz (GEG) verbindlich gilt. Dann werden bei der Modernisierung meist Dicken weit über zehn Zentimeter notwendig (je nach Dämmstoff). Eine gut gedämmte und wärmebrückenarme Fassade lässt sich mit der Wärmebildkamera sichtbar machen. Gebäude ohne Wärmebrücken gibt es nicht. Die Minimierung ist das Ziel, um neben den Wärmeverlusten hauptsächlich Schäden zu vermeiden.

 

Grafik: C3 Visual Lab

Welche Schäden können im Haus und im WDVS entstehen?
Gut gebaute Dämmsysteme sind für ein Gebäude in den meisten Fällen ein großer Gewinn. Die gesamte Gebäudekonstruktion wird vor Witterung geschützt. Ausnahmen sind bestimmte Materialien, die nicht zu jedem Haustyp passen. Ich würde zum Beispiel ein altes Bauernhaus nicht mit künstlich organischen Dämmstoffen wie Polystyrol, Polyurethan oder Phenolharz dämmen. Die gebremste Dampfdiffusion kann für Holzbauteile problematisch werden.

Wie schadensanfällig das WDVS selbst ist, hängt von der Investition ab. Stabile, dauerhafte Fassaden mit sorgfältigem Aufbau und ordentlichem Putz mit gutem Anstrichsystem können mechanischen Einflüssen viel besser trotzen als Billigsysteme mit zu dünnem Putz und fehlenden Abdichtungen. Auch Spechte suchen sich eher die dünnlagig verputzten WDVS, da sie der Resonanz von Baumrinden ähneln. Auf der Suche nach Insekten entstehen Löcher, die von anderen Vögeln als Nistplätze verwendet werden.

Erhöhen WDVS die Brandgefahr?
Gerade Styropor steht ja oft im Verdacht, brennbar zu sein. Dazu kann man nur festhalten: Das stimmt nicht. Styropor brennt nicht, es schmilzt. Beziehungs­weise es brennt erst dann, wenn alles andere schon Feuer gefangen hat. Denn in dem Styropor, das in Häuser verbaut wird, sind Flamm­schutzmittel enthalten. Fälle wie in China, wo Hochhäuser wegen der Wärmedämmung ausbrennen, sind in Deutschland nicht möglich. Eine Brandübertragung wird es durch die Dämmung nicht geben.

Was allerdings die Brandgefahr er­höht, sind im Keller oder auf dem Dachboden gelagertes Gerümpel, Altpapier, Textilien, alte Farben oder Lacke. Diese Lagerung wird aber von der Allgemeinheit wesentlich unkritischer gesehen. Wer wegen des Brandschutzes Bedenken hat, der kann auf Stein­wolle setzen. Dieser dampfoffene Dämmstoff ist mineralisch, enthält keine Biozide und keine Flamm­schutzmittel, ist aber trotzdem nicht brennbar.

Bild: C3 Visual Lab

Wie ästhetisch ist Wärmedämmung?
Wärmedämm-Verbundsysteme haben den Ruf, unästhetisch zu sein. Tatsächlich hat man hier aber (fast) dieselben Gestaltungsmöglichkeiten wie bei einer ungedämmten Fassade. Ein wichtiges Kriterium ist die Lage der Fenster. Bei einer energetischen Modernisierung sollten die Fenster nach vorne gesetzt werden, auch um Wärmebrücken zu mindern. So erkennt man gar nicht, dass das Haus gedämmt wurde. Einzig sehr verschnörkelte Fassaden mit viel Stuck, wie zum Beispiel bei Jugendstilhäusern, lassen sich bei einer Wärmedämmung logischerweise nicht rekonstruieren. In solchen Fällen rate ich manchmal auch von einer Wärmedämmung ab.

Wie nachhaltig ist Wärmedämmung?
Ein gutes Wärmedämm-Verbundsystem kann so lange halten wie eine gewöhnliche Fassade, also 50 bis 80 Jahre, und lohnt sich in der Regel auch in der Ökobilanz. Dies hängt aber auch von der Qualität der Verarbeitung ab. Mangelhafter Putz oder Fehler im System müssen mitunter auch schon mal nach fünf Jahren ausgebessert werden. Im schlimmsten Fall droht der komplet­te Rückbau. Ab wann sich ein WDVS finanziell lohnt, ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, wie zum Beispiel der Entwicklung des Energiepreises. Das lässt sich nicht ohne Weiteres ausrechnen. Was ich aber auf jeden Fall weiß: Mit der Reduktion des Wärmeverlustes kann man die Haustechnik auf ein schlankes, effizientes Maß reduzieren. Ich brauche keine komplexen Energiespeicher im Keller, sondern kann den Platz für andere Dinge nutzen. So hält sich auch die Wartung in Grenzen.