Die Selfmade-Sanierung

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Mit viel Einsatz verwandelte Julia Michanickl eine verwinkelte Wohnung in ein stylishes Eigentumsobjekt –  so attraktiv, dass die TV-Producerin in ihrem Zuhause eine Zweitkarriere als Influencerin startete.

Eine kleine Seitenstraße, gelegen mitten in der Kölner Südstadt, einem besonders beliebten Viertel der Rheinmetropole. Hier, in unmittelbarer Nähe zum Chlodwigplatz, schlägt das Herz der berühmten kölschen Veedelkultur. Bands wie BAP oder die Bläck Fööss haben sich in diesen Straßenzügen gegründet, viele ihrer Lieder handeln vom Leben in der Südstadt, von den Plätzen und Kneipen, vom unvergleichlichen Gemeinschafts­gefühl, das dieses Viertel bis heute prägt.

Wer hier wohnt, der will nie wieder weg. Das dachte sich im Jahr 2016 auch Julia Michanickl, die damals schon seit einigen Jahren zur Miete in der Südstadt lebte. Ebenso groß war aber auch ihr Wunsch nach Wohneigentum. So zu leben, wie sie es will, ohne Kompromisse bei der Gestaltung eingehen zu müssen. Sie begann in Immobilienportalen zu suchen und wurde bald fündig: Altbau, Südstadt. „Auf den Fotos war der Blick aus den Fenstern nach draußen durch einen Blur-Effekt verfremdet“, erinnert sie sich an die Anzeige. Dieser Filter wird angewendet, damit die Interessierten nicht wissen, wo genau sich das Objekt befindet. Doch Julia Michanickl wusste Bescheid. „An der Farbgebung erkannte ich das Restaurant und den Kiosk im Hintergrund“, sagt sie. „Schließlich befand sich meine Mietwohnung zufälligerweise nur zwei Häuser weiter.“

Herausfordernder Glücksfall

Unverzüglich schrieb sie den Eigentümern eine E-Mail, vereinbarte einen Besuchstermin, schaute sich die Wohnung an. Der erste Eindruck? „Verheerend.“ Julia Michanickl fasst mit raschen Worten die vielen Aspekte zusammen, dir ihr am ursprünglichen Zustand ihrer heutigen Eigentumswohnung nicht gefallen haben, als sie diese Ende 2016 zum ersten Mal betrat: „An jeder Wand eine andere unmögliche Farbe, auf dem Boden altes gelbes Laminat. Fünf kleine, dunkle, verwinkelte Zimmer, eine beengte Küche und ein Bad, gefühlt nicht größer als eine Schuhschachtel.“ So wohnen? Nein, danke. Aber hier wohnen? Ja, bitte! Die Möglichkeit, Wohneigentum in der Kölner Südstadt zu erwerben, ist ein echter Glücksfall.

Lebensqualität: Küche sowie Ess- und Wohnbereich gehen ineinander über, genügend Stauraum sorgt für eine aufgeräumte Einrichtung. Foto: Bernhard Huber

Es dauerte eine Nacht mit einiger Grübelei, da entwickelte Julia Michanickl einen Plan. Sie wollte ein Angebot für die Wohnung einreichen, um sie dann nach ihren Bedürfnissen zu sanieren. Wobei sanieren ein zu schwacher Begriff dafür ist, was sie vorhatte: „Es war klar, dass die Wohnung einen komplett neuen Grundriss benötigen würde, um meiner Vorstellung zu entsprechen.“ Das bedeutet: die alten Wände abreißen und neue einziehen, Boden und Elektroleitungen verlegen – ein großer Aufwand, verbunden mit immensen Kosten. Beides scheute Julia Michanickl nicht. „Erstens bin ich generell eine Macherin mit viel Freude an Innen­einrichtung, zweitens schien mir diese Wohnung trotz ihres Zustands ein Geschenk des Himmels zu sein.“

Per Brief bereitete sie dem Eigentümerpaar ein Angebot. „Ich blieb unter dem geforderten Preis, weil mir klar war, welche Kosten bei der Sanierung auf mich zukommen würden“, sagt sie. Dass sie eine Zusage erhalten würde, daran glaubte sie nicht. „Ich war mir recht sicher, dass der Zuschlag an Interessierte gehen würde, die bereit waren den vollen Preis zu zahlen.“ Doch es kam anders: Schon am nächsten Tag hörte sie von den alten Eigentümern: „Sie können die Wohnung haben!“ Dass Julia Michanickl in der direkten Nachbarschaft wohnte, war der entscheidende Erfolgsfaktor, glaubt sie: „Die Vorbesitzer, ein älteres Paar, hatten viele Jahre in diesem Haus gewohnt. Sie leben nun in einem altersgerechteren Neubau, hatten aber den Herzenswunsch, dass ihre alte Wohnung an jemanden geht, der das Leben in der Südstadt so sehr wertschätzt, wie sie es über all die Jahre getan haben.“ Und hier besaß Julia Michanickl einen echten Standortvorteil.

Style und Behaglichkeit: Der Blick vom Bad in den Wohnbereich, alles genau so geschnitten und eingerichtet, wie es dem Bedürfnis und Geschmack der Eigentümerin entspricht. Foto: Bernhard Huber

Direkt ‚Ja’ gesagt hat sie jedoch nicht. „Ich brauchte einen Tag und eine Nacht, um Gewissheit zu haben: Traue ich mir die Sanierung zu? Kann ich das Projekt finanzieren?“ Erst am darauf­folgenden Morgen informierte sie die bisherigen Eigentümer, dass sie das Angebot annehmen wolle. Damit konnte das Wohnprojekt ihres Lebens beginnen. Wobei, zunächst einmal war weiter Geduld gefragt, denn die Übergabe der Wohnung fand vereinbarungsgemäß erst ein Dreivierteljahr nach dem Kauf statt.

„Leider zählt Geduld nicht unbedingt zu meinen größten Stärken“, sagt Julia Michanickl und schmunzelt. Es gelang ihr jedoch, die Warte­zeit äußerst sinnvoll zu nutzen. „Ich habe die Innen­architektin in mir geweckt und bin in vielen schlaflosen Nächten immer wieder mögliche neue Grundrisse durchgegangen.“ Die lange Wartezeit bis zur Schlüsselübergabe war hart, „rückblickend aber ein Glücksfall“, wie sie sagt, „weil ich so wirklich genügend Zeit hatte, eine optimale Raum­aufteilung zu entwickeln sowie einen schlagfertigen und bezahlbaren Bautrupp zusammenzustellen.“

 

Klotzen, nicht kleckern

Mitte 2017 legte die Selfmade-Saniererin dann los. Der Bautrupp setzte sich aus drei Allroundern sowie ihr selbst zusammen. Drei Monate Zeit hatte sie für die gesamten Maßnahmen angesetzt – ein ehrgeiziger Zeitplan. „Vor allem beim Abriss der alten Wände habe ich viel selbst geleistet, der Vorschlaghammer war mein Werkzeug der Stunde“, erinnert sie sich. Beruflich war Julia Michanickl damals noch als freie TV-Producerin tätig. Im Zuge der Sanierung übernahm sie deshalb nur Projekte, die sie besonders effizient handhaben konnte, um so möglichst viel Zeit für den Umbau freizuschaufeln. Nur so ließ sich der anvisierte Einzugstermin Anfang des Jahres 2018 halten.

Glück hatte sie, dass sie während der Maßnahme in dem Altbau aus dem Jahr 1906 von negativen Überraschungen verschont blieb. „Ich hatte Horrorstorys von Wasserrohrbrüchen oder Problemen mit der Statik gehört, die bei Altbau­sanierungen aufgetreten waren. Alles dies gab es bei mir nicht.“ Nur einmal musste sie sich den Rat eines Statikers einholen, um den Abriss einer mutmaßlich tragenden Wand zu prüfen. „Weil sich in der Decke Stahlträger befanden, gab es keinen Einwand.“

An die dunkle und beengte Atmosphäre der Wohnung vor ihrer Zeit erinnern noch die Fotos aus der ersten Phase der Sanierung, die Julia Michanickl auf ihrem Handy gespeichert hat. Betritt man die Wohnung heute, ergibt sich ein ganz anderes Bild. Über den Flur geht es in einen 45 Quadratmeter großen Raum, der Wohnzimmer und Küche kombiniert. „Wenn ich koche, dann besonders gerne mit Freunden“, sagt sie. „Deshalb wollte ich die Küche in den Wohnbereich integrieren.“ Was auch bedeutete, dass sie die Küchen­einrichtung an die aufgeräumte Atmosphäre anpassen musste, die Julia Michanickl sehr schätzt. „Entsprechend wichtig ist ausreichend Stauraum für die Küchengeräte und das Geschirr, damit die Küche nicht nach ständiger Arbeit aussieht.“ Individualität und Preisbewusstsein verbindet sie mit einem Trick: Die Grundmodule der Küchen­einrichtung stammen von Ikea, jedoch hat sie die Elemente von einem Schreiner verkleiden lassen, sodass sie ihren Vorstellungen besser entsprechen.

Ein zentraler Ort im Wohnbereich ist ein erhöhter Sitzbereich mit einem minimalistisch-gemütlichen Sessel. „Hier sitze ich sehr häufig mit geöffnetem Fenster und lasse die Südstadt-Atmosphäre in die Wohnung hineinfließen“, sagt Julia Michanickl. Beinahe wie eine Terrasse funktioniere dieser Bereich – „wobei ich es sehr mag, wenn im Sommer in den Restaurants gegenüber so viel Betrieb ist, dass es sich anfühlt, als wohnte ich an einer Promenade in einem entspannten Urlaubsort.“

Einen Balkon besitzt die Wohnung auch, erreichbar ist er über ein gemütliches Gäste- und Arbeitszimmer, in dem Julia Michanickl während der Lockdowns in der Pandemie viel Zeit vor dem Computer verbracht hat. „Der Balkon liegt nach Osten raus, sodass ich hier morgens in der Sonne einen ersten Kaffee genießen kann“, sagt sie. Komplettiert wird die insgesamt 95 Quadratmeter große Wohnung von einer Abstellkammer sowie dem Schlafzimmer und dem Badezimmer – beide nicht zu groß und nicht zu klein, „genau so, wie sie meinem Bedürfnis entsprechen“.

Auch beim Boden hat sich die Saniererin ihren Wunsch erfüllt: Die Vollholz-Eichendielen waren nicht günstig, erzeugen aber ein behagliches Gefühl beim Gehen und passen gut zur hellen, minimalistischen Einrichtung. Hinter der Auswahl des Bodens steckt eine Philosophie, die Julia Michanickl während des Projekts befolgt hat: „Keine Kompromisse bei den grundlegenden Entscheidungen bei einer Sanierung wie der Raum­aufteilung oder dem Boden eingehen – denn sind diese Elemente einmal fertig, sind sie kaum noch veränderbar.“

Lieblingsplatz: Toni, gut ein Jahr alt, hat sich in der Wohnung seine eigenen Orte erobert. Foto: Bernhard Huber

Tierisch guter Mitbewohner

Andere Träume hingegen möchte sie sich in den folgenden Jahren nach und nach erfüllen, dazu zählt eine neue Arbeitsplatte in der Küche, die das bisherige Provisorium ablöst, sowie perspektivisch neue Heizkörper und ein Sofa. Dass dieses noch ein bisschen länger auf der Wunschliste steht, liegt an ihrem jungen Mitbewohner, der seit Januar 2022 hier lebt: Toni, ein Jahr alt, ein kleiner und aufgeweckter Mischlingshund aus dem Tierschutz. „Sehr lieb, aber auch sehr lebhaft, weshalb ein neues Sofa aktuell keine gute Idee wäre.“

Tonis Lieblingsplätze? Eine Kuschelinsel im Wohnzimmer, der Schlafplatz neben Frauchens Bett im Schlafzimmer sowie ein Beobachtungsposten direkt an der Wohnungstür. Hier verweilt er geduldig, wenn Julia Michanickl zu ihrem Job aufbricht: Seit 2019 hat sie eine Festanstellung als TV-Producerin beim TV-Sender VOX, wo sie für diverse Kochshows tätig ist.

Home-Story: Unter dem Namen julias.choice zeigt die Influencerin bei Instagram ihren Stil. Foto: Bernhard Huber

Erfolg im Internet 

Ihre Erfahrungen im visuellen Storytelling nutzt die 42-Jährige für eine zweite Karriere als Influencerin: Auf Instagram zeigt sie stilvolle Video-Inhalte zu ihren Leidenschaften: Inneneinrichtung und Lifestyle, Design und Food – und natürlich Toni, ihren Hund. Dabei präsentiert sie ihren Tausenden Followern „ausschließlich Dinge, die mir gefallen und Spaß machen“. Bei ihren Inhalten auf Instagram geht sie ebenso wenig Kompromisse ein wie bei der Umgestaltung ihrer Wohnung.

Wohnen im Web: Mit ihren Insta-­Storys gewinnt Julia Michanickl immer mehr Follower. Foto: Bernhard Huber

Aus dem Feedback der Nutzerinnen und Nutzer weiß sie, dass die Bilder von der Sanierung ihrer Wohnung auf ganz besonders großes Interesse stoßen. „Viele wollen wissen, wie ich diese Maßnahme mit so viel Eigenarbeit geleistet habe und einige wünschen sich konkrete Tipps. Beispielsweise, die Küche so einzurichten, dass sie nicht wie ein Arbeitsbereich wirkt, oder beim Stauraum darauf zu achten, dass er nicht gleich als solcher zu erkennen ist.“ Auf den Punkt gebracht: Viele würden gerne so leben wie Julia Michanickl es seit 2018 in ihrer vollsanierten Eigentumswohnung in der Kölner Südstadt tut. „Was ich an dieser Wohnung besonders schätze, ist das zuverlässige Gefühl, hier ein Zuhause zu haben“, sagt sie – und ergänzt: „Mein Zuhause zu haben.“

 

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