Herr Philipp, gerade jetzt in der Weihnachtszeit hängen viele Eigenheimbesitzer ihr Haus und ihren Garten voll mit permanent leuchtenden und blinkenden Lichtern. Warum ist das problematisch?
Immer mehr Orte und Regionen werden künstlich beleuchtet – und zwar nicht nur zur Weihnachtszeit, sondern das ganze Jahr über. Die dauerhafte Beleuchtung stört den natürlichen Rhythmus vieler Tiere und Pflanzen und hat zahlreiche negative Folgen – auch für den Menschen. Die Auswirkungen sind so gravierend, dass sich dafür längst der Begriff Lichtverschmutzung etabliert hat. Das müssen Sie sich mal vorstellen: Alle acht Jahre verdoppelt sich weltweit betrachtet die Helligkeit des Nachthimmels! Problematisch ist, dass viele Menschen die entstehenden Schäden kaum wahrnehmen. Daher mangelt es oft an Bewusstsein und Sensibilität dafür.
Welche gravierenden Auswirkungen sind das konkret?
Für den Menschen kann Licht zur falschen Zeit, vor allem zu helles oder Dauerlicht, den Schlaf-Wach-Rhythmus stören und langfristig gesundheitliche Folgen mit sich bringen. Tiere – besonders nachtaktive Arten – werden in ihrem natürlichen Verhalten massiv beeinträchtigt. Vögel verlieren die Orientierung oder finden keine Ruhe- oder Brutplätze mehr, weil Bäume und Sträucher angestrahlt werden.
Extrem betroffen sind Insekten wie Nachtfalter, die vom künstlichen Licht angezogen werden. Sie kreisen um die Lichtquelle und sterben milliardenfach an Erschöpfung oder weil sie so leichter Beute von Fressfeinden werden. Auch Pflanzen leiden unter der Licht verschmutzung: Das Kunstlicht bringt den Wachstumsrhythmus durcheinander oder verschiebt den Blühzeitpunkt, was dann negative Auswirkungen auf die Bestäuber hat.
Dass Häuser oder Ortschaften beleuchtet werden, ist ja seit vielen Jahrzehnten der Fall. Hat sich die Lichtverschmutzung in letzter Zeit noch verschärft?
Genau, Lichtverschmutzung ist kein neues Problem. In vielen dicht besiedelten Gegenden gehören nachts Lichtglocken – also dieses diffuse Leuchten am Himmel, das wie eine Glocke aussieht – längst zum gewohnten Anblick. Dafür sieht man dort am Himmel immer weniger Sterne. Über den Großstädten sind oft nicht einmal mehr die hellsten Sterne zu erkennen. Ein wesentlicher Treiber der extremen aktuellen Entwicklung ist die LED-Technologie.
Aufgrund ihrer Energieeffizienz und der geringen Kosten hat sie in den vergangenen Jahren einen regelrechten Siegeszug erlebt. LEDs ermöglichen es, Gebäude, Straßen oder auch Gärten mit minimalem Energieaufwand zu beleuchten. Noch nie in der Menschheitsgeschichte ist Licht so billig und so einfach verfügbar gewesen. Im Vergleich zu vor 100 Jahren kostet dieselbe Menge künstlichen Lichts heute etwa 6.000-mal weniger. Doch genau diese Entwicklung führt zu einer immer stärkeren, immer helleren, oft unnötigen nächtlichen Beleuchtung – und meist auch noch im Dauermodus.
Was ist für Sie „unnötige Beleuchtung“?
In jedem Fall jede rein dekorative Form, die mitten in der Nacht ohne jeden Sinn vor sich hinleuchtet. Aber auch andere Beleuchtungen sind häufig alles andere als ideal: Ein Drittel des Lichts, das weltweit ausgestrahlt wird, ist verschwendet. Es leuchtet zur Seite, nach oben, ist zu hell oder brennt die ganze Nacht hindurch, obwohl niemand unterwegs ist. Würde man dieses eine Drittel eliminieren, wäre es am Boden kaum dunkler. Aber allein in Europa könnten jährlich rund 20 Milliarden Euro an Energiekosten eingespart werden.
Sie erwähnten, dass Kunstlicht sich auch auf Pflanzen auswirkt. Hat es nicht ein anderes Farbspektrum als die Sonne?
Das Spektrum hat schon Einfluss, aber nicht allein. Das Problem bei LEDs ist deren starker Blauanteil im Spektrum. Genau der verursacht Probleme. Aber Pflanzen reagieren auch auf gelbes Licht, das keine Blauanteile enthält. Ganz allgemein gesagt reagieren sie auf jedes Kunstlicht, dass ihnen nachts nahe steht.
Wie viel Licht ist denn im eigenen Garten vertretbar?
So viel, dass die umliegende Nachbarschaft nicht gestört ist: dezent, goldgelb und möglichst nicht sonst wo hinleuchtend. Vor allem aber sollte all dieses Licht dann aus sein, wenn man sich nicht mehr im Garten aufhält. Man muss sich klarmachen, dass es dasselbe wie mit Lärm ist: Der macht schließlich auch nicht an der Grundstücksgrenze halt. Immer mehr Menschen fühlen sich von den übermäßigen Lichtemissionen gestört. Das zeigen die vielen Leute, die sich hilfesuchend an uns wenden.
Kehren wir noch einmal zu den Auswirkungen auf die Natur zurück: Bedeutet eine übermäßige Gartenbeleuchtung, dass man den Pflanzen schadet, um die man sich sonst so hingebungsvoll kümmert?
Ganz genau. Und auch allen Tieren dort! Licht im Garten erhöht die Anzahl an Schnaken und vertreibt Nützlinge wie beispielsweise Glühwürmchen. Zudem hält Licht jene Tiere ab, die die natürlichen Feinde von Schädlingen sind. Igel etwa meiden beleuchtete Gärten. Auch Regenwürmer, die für die Bodenqualität unerlässlich sind, ziehen sich bei Licht zurück. Licht gehört einfach nicht in Naturräume.




Welche Lichtquellen im Garten empfehlen Sie, die der Sicherheit dienen, zum Beispiel Wegbeleuchtung?
Das Wichtigste: Nicht zu hell! Um größere Flächen gleichmäßig ausleuchten zu können, besser mehrere schwache Lichtquellen verwenden als eine einzelne sehr starke. Zudem unbedingt darauf achten, dass das Licht seitlich und nach oben hin komplett geschirmt ist. So blendet es nicht und sorgt auch noch für mehr Sicherheit.
Blendung und Lichtverschmutzung wird obendrein reduziert, wenn die Lichtquelle möglichst niedrig montiert ist. Zuletzt die Lichtfarbe: Hier gilt, je gelber, desto besser! Koppelt man das Ganze dann noch mit einem Bewegungsmelder oder Zeitschalter, ist das für Menschen, Tiere und Pflanzen relativ schonend. Was aber schlimm ist: Solar-Gartenleuchten.
Denn selbst wenn diese abschaltbar sind, macht es niemand. Besser eine Lichterkette mit Schalter, die man ausmacht, wenn man ins Haus geht.
Gelten Solar-Gartenleuchten nicht als umweltfreundlich, da sie autark arbeiten?
Solarleuchten mögen auf den ersten Blick wie eine umweltfreundliche Lösung erscheinen, doch ökologisch betrachtet verwenden viele dieser Leuchten seltene Erden in ihren Photovoltaikmodulen und bestehen aus billigem Kunststoff, der bei Witterungseinflüssen schnell zerfällt. Diese Materialien sind oft schwer zu recyceln.
Hat sich das Bewusstsein für das Problem der Lichtverschmutzung in letzter Zeit geschärft?
2021 wurde der § 41a im Bundesnaturschutzgesetz beschlossen. Darin ist festgelegt, dass man mit Licht sparsam umgehen soll, um wildlebende Tiere und Pflanzen zu schützen. Die Rechtsverordnung, die die konkreten Vorgaben enthalten wird, ist aber noch nicht erlassen. Doch wenn das demnächst der Fall ist, wie geht es dann weiter? Die Behörden müssten vor Ort überprüfen, ob das Licht tatsächlich zu hell ist. Die sind aber schon jetzt häufig überlastet. Das Gesetz ist ein Schritt in die richtige Richtung. Doch letztlich wird es nur dann wirklich wirken, wenn die Menschen auch erreicht werden. Sie müssen erkennen, dass zu viel Kunstlicht enorm dem ökologischen Gleichgewicht schadet.
Manuel Philipp
ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation„Paten der Nacht“. Sie setzt sich bundesweit für eine umweltverträgliche Außenbeleuchtung ein und berät Kommunen, Unternehmen und Bürger zum Thema Lichtverschmutzung.