Aber natürlich: Dämmung aus nachwachsenden Rohstoffen

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Wer ein Haus baut oder saniert, muss sich für eine Dämmung entscheiden. Prof. Dr. Hartwig Künzel vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP kommentiert für uns weit verbreitete Mythen zu Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen.

Foto: privat

Prof. Dr. Hartwig Künzel (64) leitet beim Fraunhofer IBP die Abteilung für Hygrothermik. In diesem Teilbereich der Bauphysik analysieren er und sein Team das Wärme- und Feuchtverhalten von Baustoffen. Künzel ist darüber hinaus Honorarprofessor an der Universität Stuttgart am Institut für Akustik und Bauphysik.

Das Fraunhofer IBP wurde 1929 gegründet und beschäftigt sich mit elementaren Fragen der Akustik, Energieeffizienz oder Hygrothermik. So schafft das Institut die Grundlagen für die Entwicklung von Baustoffen und Bausystemen wie beispielsweise Wärmedämmsystemen, die nach Marktreife zum Endverbraucher gelangen.

Mythos 1:  Sie sind kaum verfügbar

Was richtig ist: Der Markt für Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen ist unübersichtlich und verändert sich stetig. Bisher führt Holz mit Abstand: Etwa 60 Prozent der verkauften ökologischen Dämmstoffe bestehen aus Holzfasern, 30 Prozent aus Zellulose, deren Grundlage ebenfalls Holz ist. Die restlichen zehn Prozent der Verkäufe setzen sich aus verschiedenen Stoffen zusammen. Hanf ist in Deutschland gut erhältlich. Einige Eigenheimbesitzer dämmen ihr Haus auch mit Stroh. Aber nicht alle Stoffe sind gut verfügbar. Seegras oder Kork etwa müsste man importieren, wobei der Transport die CO2-Bilanz schmälert.

Illustrationen/Grafiken: C3 Visual Lab

Mythos 2: Sie sind teurer

Auch bei Dämmstoffen hängt der Preis davon ab, wie viel produziert und abgenommen wird. So ist das auf Erdöl basierende Polystyrol am weitesten verbreitet und dementsprechend günstig. Aber es gibt auch bezahlbare nachwachsende Dämmstoffe. Holzfaser und Zellulose sind zum Beispiel günstiger als einige Hartschäume – bei Holzmangel steigt aber auch hier der Preis. Grundsätzlich gilt: Nur wenn einem Produkt Vertrauen geschenkt wird und es sich verkauft, wird es weiterentwickelt und günstiger produziert. Es ist also zu begrüßen, wenn auch zu den etwas teureren Dämmstoffen gegriffen wird.

Illustrationen/Grafiken: C3 Visual Lab

Mythos 3: Sie sind weniger wirksam

Natürliche Dämmstoffe sind nicht die wirksamsten, können aber mit gängigen Dämmmaterialien mithalten. Mit annähernd zehn Prozent Marktanteil sind sie auch kein Hype mehr. Außerdem sind die Technologien für ökologische Dämmsysteme um die 15 Jahre alt und konkurrieren mit solchen, die teilweise über 50 Jahre weiter­entwickelt wurden. Durch Forschung können sich also Nachhaltigkeit, Effizienz und Recyclingfähigkeit verbessern. Projekte wie die erdölfreie Herstellung von Polymeren aus pflanzlichen Stoffen gibt es bereits.

Illustrationen/Grafiken: C3 Visual Lab

Mythos 4: Sie sind anfälliger für Schimmel und Brandgefahr

Schimmelanfälligkeit und Brandgefahr hängen vom Material ab. Holz schneidet gut ab, so ein Baum wird ja zum Teil mehrere Hundert Jahre alt und ist schimmelpilzresistent. Flachs und Hanf hingegen dürfen nicht zu feucht werden, Schafwolle (ohne Zusätze) ist anfällig für Milben. Seegras und Rohrkolben sind vergleichsweise schimmelresistent. Die Schimmelgefahr und das Brandrisiko hängen allerdings vor allem von der richtigen Verbauung ab. Und leicht entflammbare Stoffe dürfen gar nicht verbaut werden.

Illustrationen/Grafiken: C3 Visual Lab

Mythos 5: Sie sind ökologischer

Wärmedämmung verbessert grundsätzlich die Energiebilanz, darauf bezogen ist kein Dämmstoff wirklich schlecht. Nachwachsende Materialien sind aber ökologischer, auch wenn sie teilweise bei der Produktion einiges an Wasser verbrauchen. Stroh oder Zellulose werden etwa als Abfallprodukte quasi nebenbei gewonnen und die meisten Stoffe lassen sich besser recyceln. Wer die Menge der CO2-Emissionen niedrig halten will, bezieht am besten nationale oder regionale Stoffe. Der Transport verschlechtert die CO2-Bilanz und ist zudem ein großer Preistreiber. So ist es zum Beispiel ökologisch nicht sinnvoll, Kokosfasern zu importieren.

Illustrationen/Grafiken: C3 Visual Lab

Foto Header/oben: Carsten Kalaschnikow/C3