Wie am Mittelmeer: Wohnen in einem Gewächshaus

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Dieser Garten gedeiht auch im Winter: Lutz-Peter und Beate Kremkau haben sich ein Mittelmeer-Paradies geschaffen – in einem Gewächshaus, das sie selbst bewohnen. Vor den Augen des Betrachters erstreckt sich ein mediterranes Fleckchen Erde: Eine Magnolie und ein Feigenbaum wetteifern darum, wer am höchsten wächst, und nur wenige Meter weiter stößt ein Eukalyptusbaum schon fast gegen das Glasdach des gewaltigen Gewächshauses. Zwischen den Exoten steht ein flaches Gebäude – gewissermaßen das Haus im Haus. Über der Eingangstür rankt eine Weinrebe, und an der Seite führt eine Treppe steil aufs Dach. Hier auf einer Terrasse sprießt Rosmarin, reifen Maulbeeren und Nashi-Birnen, wächst Palme neben Palme. „Auch ich in Arkadien!“, möchte man am liebsten ausrufen, mit den Worten, die Johann Wolfgang von Goethe seiner „Italienischen Reise“ voranstellte. Dabei liegt das grüne Kleinod, in dem wir hier stehen, keineswegs am Mittelmeer.

Weit weg vom Meer, im niedersächsischen Örtchen Holle bei Hildesheim, haben sich Lutz-Peter und Beate Kremkau auf 360 Quadratmetern ein ungewöhnliches Zuhause geschaffen. Als die beiden vor mehr als 20 Jahren beschlossen, mit Sohn und Tochter in ein Gewächshaus zu ziehen, war das eigentlich nur folgerichtig: Die Eheleute sind gelernte Floristen und mit ihrer Firma Kremkau Raumbegrünung Spezialisten im Gestalten von Innenräumen.

Dass sie etwas vom Geschäft verstehen, beweist ihr Heim eindrucksvoll. Und ob sie nun für Unternehmen Büros und Kantinen mit Pflanzen verschönern oder ihren Wohnraum – die Vorteile wie etwa viel Licht, bleiben dieselben. „Die Nähe zur Natur wirkt beruhigend“, erklärt Lutz-Peter. „Außerdem sorgen die Pflanzen für gute Luft: Sie filtern Schadstoffe heraus und spenden Sauerstoff.“ Wie sich das auf die Gesundheit auswirkt, konnten die Kremkaus an sich selbst beobachten: Zu Schulzeiten waren die Kinder so gut wie nie krank, Allergien kommen in der Familie nicht vor.

Auf die Idee zu ihrem ungewöhnlichen Heim kamen Lutz-Peter und Beate, als sie Firmen aus ihrer Branche kennenlernten, die sich Büros direkt im Gewächshaus eingerichtet hatten. „Das fanden wir eine tolle Idee“, sagt Beate Kremkau. „Doch wir wollten noch weiter gehen: Warum sollen wir in der Natur denn nur arbeiten und nicht auch wohnen?“

Einige Menschen, mit denen das Ehepaar seinerzeit über seinen Plan sprach, rieten ihnen dringend vom Gewächshaus ab. „Sie sagten, wir würden aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit Probleme mit Schimmel bekommen“, berichtet Beate. „Zudem würden wir es, wenn die Sonne auf die Scheiben aus Glas scheint, vor Hitze kaum aushalten können.“ Von all den Bedenken ließen die Kremkaus sich nicht beirren. Ein Architekt plante nach ihren Vorgaben das Haus, gut zwei Jahre dauerte der Bau. 

Die Befürchtungen der anderen haben sich bis heute nicht bestätigt. Ein automatisches Belüftungssystem sorgt für die richtige Luftfeuchtigkeit – und bei Bedarf auch für eine kühle Brise. An der Seite und oben auf dem Dach öffnet das System selbstständig die Fenster und befördert so den Luftaustausch. Die Sensoren erkennen auch, wenn es regnet, worauf die Neigungswinkel der Scheiben verändert oder sie komplett geschlossen werden. Smart Home für den immergrünen Bereich.

Eine Heizung gibt es übrigens nur im rund 150 Quadratmeter großen Wohnbereich. Im Winter wird es daher im Gewächshaus schon mal knackig kalt. Dass das den mediterranen Pflanzen nichts ausmacht, liegt an den Scheiben aus Glas, die den frostigen Wind abhalten. Denn der ist es eigentlich auch, auf den sie gereizt bis zum Eingehen reagieren.

Auch abseits vom richtigen Gewächshausklima dreht sich vieles bei den Kremkaus ums Wohl der Pflanzen. „Wir verbringen jede Woche durchschnittlich zwei Tage mit der Pflege“, berichtet Lutz-Peter. Und das obwohl die Bewässerung der rund 130 Einzelpflanzen ebenfalls automatisiert ist. Dünne Schläuche, die über kleine Öffnungen Wassertropfen abgeben, sind – größtenteils nicht sichtbar – im Granulat verlegt. Lutz-Peter: „Im Hochsommer läuft die Anlage zwölf bis 15 Stunden am Tag, im Winter genügt es, einmal pro Woche zu bewässern.“ Dafür nutzen die Kremkaus ihr aufgefangenes Regenwasser, das in der Regel ausreicht. Nur im vergangenen, extrem trockenen Sommer mussten sie sich dann doch irgendwann mit Leitungswasser behelfen. „Das Prasseln an den Glasscheiben finden wir auch nach so vielen Jahren immer noch wunderschön“, sagt Beate. „Um den Regen besser zu hören, machen wir sogar extra die Tür zum Wohnbereich auf.“

Damit die Pflanzen keinen Durst leiden müssen, ist nicht nur die Bewässerung wichtig, sondern auch der Untergrund. Im ebenerdigen Teil des Gewächshauses sind die Pflanzen in einem Fundament aus hochwertiger Erde eingesetzt, mit einer Schicht mineralischem Granulat darüber. Auf der Dachterrasse dagegen wird komplett auf Granulat gesetzt. 

Vom grünen Daumen der Kremkaus profitieren auch immer mehr Kunden. „Raumbegrünung ist für Unternehmen inzwischen ein wichtiges Thema“, berichtet Sohn Arne, der gerade sein Wirtschaftsstudium abgeschlossen hat und in Zukunft die Geschäfte seines Vaters übernehmen soll. „Seit etwa fünf Jahren gibt es einen regelrechten Hype in diesem Bereich.“ Zu den Kunden des Familienbetriebs, der 1973 von Arnes Großvater väterlicherseits gegründet wurde, zählen neben dem Mittelstand auch große Unternehmen wie Volkswagen, Siemens und Coca-Cola. Arne: „Wir beschäftigen gut 30 Mitarbeiter an unseren Standorten in Holle, Hannover und Braunschweig. Sie beliefern unsere Kunden mit Pflanzen, passenden Töpfen und Kübeln sowie anderem Interieur. Auch einen Pflegeservice sowie die Installation von Vertikalbegrünungen bieten wir an.“ Hierbei werden Pflanzen unter anderem übereinander an Wänden im Raum angebracht.  

Die Pflanzen für die Kunden stammen zumeist nicht aus der Mittelmeerregion, die beliebten Drachenbäume beispielsweise kommen aus Zentralamerika. Anderswo auf der Welt wächst schließlich auch schönes Grün. Und das Wohngewächshaus in Holle bleibt so auch etwas ganz Besonderes.