Mein Haus, das Kraftwerk
Damit ein Haus zum Plusenergiehaus wird, muss viel zusammenpassen: von der Energieerzeugung über die Heizungsanlage bis zur Größe der Fenster.
Den Begriff Plusenergiehaus kann man schnell falsch verstehen: Verbraucht ein solches Haus etwa mehr Wärme und Strom im Vergleich zu anderen Häusern, also plus Energie? Nein, das Gegenteil ist der Fall: Tatsächlich erzeugt ein Plusenergiehaus mehr Energie, als es benötigt, also ein Plus an Energie. Wie das möglich ist? Einfach gesagt: indem es auf eine wärmeschützende luftdichte Gebäudehülle setzt, kombiniert mit einer Strom- und Wärmeversorgung durch erneuerbare Energien und mit einem smarten Energiemanagement.
Das Herzstück bildet in diesem Konzept die Erzeugung von Strom durch eine Photovoltaikanlage. Alternativ kann auch eine Kleinwindkraftanlage zum Einsatz kommen. Sie ist in der Anschaffung allerdings teurer. Mit dem eigenen kleinen Kraftwerk erzeugen Besitzer eines Plusenergiehauses den Strom für alle elektrischen Geräte und für die Versorgung mit elektrischem Licht. Wer für Heizung und Warmwasser eine Wärmepumpe nutzt, kann für deren Betrieb ebenfalls den selbst erzeugten Strom verwenden.
Durch die Konstruktion des Gebäudes und eine gute Wärmedämmung bleibt die Wärme dort, wo sie hingehört: im Haus. Je geringer der Wärmebedarf ist, desto eher kann ein Überschuss an (elektrischer) Energie erzielt werden. Der Überschuss ist übrigens bilanziell. Heißt: Nicht zu jeder Zeit, aber über das Jahr gerechnet muss vom Haus mehr Energie in Form von Strom in das öffentliche Netz fließen als umgekehrt daraus bezogen wird. Denn Energieautarkie, die Unabhängigkeit vom öffentlichen Stromnetz, erreicht ein Plusenergiehaus nicht. Dafür schwankt die Energieerzeugung durch Sonnenlicht im Jahresverlauf zu stark. Was die Kosten betrifft, müssen Bauherren mit bis zu 20 Prozent Mehraufwand rechnen, je nachdem welche Komponenten in welcher Größe sie verbauen.
Im sauerländischen Schmallenberg haben Christoph Schäfers und Petra Zimmer
ein Plusenergiehaus gebaut. Neben der klimaneutralen Energietechnik bringt die kluge Gebäudeplanung ein dickes Plus.
Herr Schäfers, Sie haben bereits 2006 ein Plusenergiehaus gebaut. Fühlen Sie sich als Vorreiter?
Eigentlich hatten meine Frau und ich beschlossen, nicht zu bauen. Ein frei stehendes Einfamilienhaus erschien uns, was Energie- und Flächenverbrauch betrifft, nicht nachhaltig. Als der Architekturprofessor Horst Höfler Pläne für eine Modellsiedlung mit energieoptimierten Häusern vorstellte, haben wir gesagt: Das schauen wir uns mal an. Aus der Siedlung wurde nichts, wir waren die einzigen Interessenten. Mit Höfler und dem Bauingenieur Hermann Berls haben wir eins dieser Häuser schließlich in einer Baulücke realisiert. Als Vorreiter haben wir uns aber nicht gefühlt.
Was macht Ihr Haus zu einem Plusenergiehaus?
Das Gebäude ist darauf ausgerichtet, möglichst viel Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen und möglichst wenig Energie zu verbrauchen oder an die Umgebung abzugeben.
Womit erzeugen Sie die Energie?
Wir haben drei Photovoltaikanlagen mit insgesamt 7,8 Kilowatt Peak maximaler Leistung für die Stromversorgung installiert, eine davon mit In-Glas-Modulen auf dem Wintergarten. Die Wärmeversorgung erfolgt über eine Luft-Wasser-Wärmepumpe, die flexibler und schneller reagiert als zum Beispiel eine Geothermieanlage. Zur Unterstützung nutzen wir Solarthermie. Dazu kommt ein 2.000 Liter fassender Warmwasserspeicher.
Auffällig sind der vollverglaste Wintergarten und die hinterlüftete Glasfassade. Welche Funktion erfüllen sie bei der Klimatisierung?
Beide nutzen die Sonnenstrahlung passiv zur Wärmeerzeugung beziehungsweise zur Temperaturregulierung. Der Wintergarten dient als Wärmepuffer. Bei Bedarf lässt er sich zum Wohnbereich durch eine Schiebetür öffnen. Die Glasfassade wirkt wie eine Klimaanlage, die im Winter bei Sonne zusätzliche Wärme ins Gebäude einträgt und im Sommer durch die Hinterlüftung – in Verbindung mit dem das Haus umlaufenden Wassergraben – die Gebäudehülle durch einen stetigen Luftstrom abkühlt. Bei geöffneten Fenstern dient das auch zur effektiven Lüftung. Im Hochsommer bleiben die Fenster tagsüber geschlossen, nachts wird über die nach außen zu öffnenden Nordfenster quergelüftet.
Wie viel Energieüberschuss springt dabei pro Jahr heraus?
Wir erzeugen etwa 7.500 Kilowattstunden Energie bei einem Verbrauch von durchschnittlich rund 6.600 Kilowattstunden. Den überschüssigen Strom speisen wir ins Stromnetz ein und erhalten dafür eine Vergütung.
Wichtig ist der Wärmeschutz. Wie bekommen Sie das hin?
Zum einen durch den kompakten Baukörper in Holzständerbauweise. Die Dämmschicht ist 28 Zentimeter dick und besteht aus Zellulose. Die Glasfassade sorgt zusätzlich dafür, dass Wärme an der Fassade nicht abtransportiert wird. Zum anderen ist die Längsachse nach Westen ausgerichtet. Damit bietet das Gebäude Wind und Wetter nur eine geringe Angriffsfläche und der Wärmeabtransport über Fassade und Dach wird minimiert. Zudem haben wir das Haus in den Hang hineingebaut, wodurch es sich in das natürliche Gelände einschneidet.
Welche Rolle spielt der Grundriss Ihres Hauses?
Flächen, die nicht beheizt werden müssen, wie zum Beispiel ein Treppenhaus, liegen außerhalb der Wohnbereiche. Bei uns gelangt man deshalb durch den Wintergarten in das obere Geschoss. Beide Wohnetagen sind gegenüber dem Wintergarten abschließbar. Wir haben auch keine Flure, sondern nutzen fast die gesamte zu beheizende Fläche als Wohnraum.
Wie smart ist Ihr Haus eigentlich?
Wenn Sie digitale oder elektronische Geräte meinen, wohl nicht so sehr. Die oberen Fenster des Wintergartens lassen sich elektrisch öffnen und schließen, das war’s. 2006 steckte die Technologie noch in den Kinderschuhen. Seitdem gab es enorme Fortschritte. Wir fühlen uns allerdings sehr wohl in unserem Haus. Ich möchte nicht alles von der Technik abgenommen bekommen.
Würden Sie das Haus heute noch einmal so bauen?
Bis auf Kleinigkeiten wie einen besseren Sonnenschutz auf der Westseite oder die Verwendung von Metall statt Holz beim Wintergarten – ja. Für uns ist das Haus ökologisch und ökonomisch sinnvoll, es bietet ein sehr angenehmes Wohnklima und lässt sich gut an neue Lebenssituationen anpassen. Davon profitieren wir jetzt, wo die Kinder aus dem Haus sind. Im letzten Jahr konnten wir eine ukrainische Familie in der oberen Etage unterbringen.
Der Bau eines Plusenergiehauses wird durch verschiedene Maßnahmen gefördert. Die Programme der KfW Bankengruppe spielen dabei nicht die einzige, aber eine wichtige Rolle.
Klimafreundlicher Neubau: Das wird gefördert
Für eine Förderung durch die KfW Bankengruppe darf ein Neubau bzw. Erstbezug nur 40 Prozent der Primärenergie verbrauchen, die ein Referenzgebäude benötigt (Effizienzhaus-Stufe 40). Ein Referenzgebäude erfüllt nur die Mindestanforderungen des Gebäudeenergiegesetzes. Zudem darf im Lebenszyklus des Hauses nur so wenig CO2 entstehen, dass es die Anforderungen des Qualitätssiegels Nachhaltiges Gebäude Plus erfüllt (klimafreundliches Wohngebäude). Diesen Wert ermitteln Fachleute mittels Ökobilanzierung. Heizen mit Öl, Gas und Biomasse ist ausgeschlossen. Eine höhere Förderung bringt ein klimafreundliches Wohngebäude mit QNG.
Dafür ist ein Nachhaltigkeitssiegel etwa für eine nachhaltige Materialgewinnung und Schadstoffvermeidung erforderlich. Quelle: KfW
So wird gefördert
Die Förderung erfolgt mittels zinsgünstiger Kredite. Aktuell liegt der Sollzinssatz für Selbstnutzer je nach Laufzeit zwischen 0,01 und 0,95 Prozent p. a. bei einer Zinsbindung von zehn Jahren. Für „Klimafreundlicher Neubau Wohngebäude“ kann man bis zu 100.000 Euro erhalten, für „Klimafreundlicher Neubau Wohngebäude mit QNG“ sind es bis zu 150.000 Euro an Förderdarlehen. Quelle: KfW
KomplettSanierung
Für die Sanierung Ihres Eigenheims zum Effizienzhaus können Sie die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) bei der KfW Bankengruppe beantragen – einschließlich weiterer Fördermittel für eine qualifizierte Baubegleitung. Quelle: KfW
Erneuerbare Energien Standard
Die Nutzung erneuerbarer Energien zur Erzeugung von Strom und Wärme (zum Beispiel Photovoltaik) wird ebenfalls durch Kredite gefördert. Zinssatz: ab 4,15 Prozent p. a. Quelle: KfW
Einzelmaßnahmen
Einzelmaßnahmen fördert das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) mit Zuschüssen. Darunter fallen Maßnahmen zur Wärmeversorgung, zum Wärmeschutz und zur Heizungsoptimierung sowie Anlagen zur Steigerung der Energieeffizienz. Der Zuschuss beträgt 15 Prozent der förderfähigen Kosten, bei Anlagen zur Wärmeerzeugung auch mehr. Die förderfähigen Kosten sind auf 60.000 Euro pro Wohneinheit und Jahr gedeckelt. Quelle: BAFA
Moderne Technologien können die Effizienz der Energieversorgung steigern und den Verbrauch senken: von der automatischen Temperaturregelung bis zum Betrieb der Waschmaschine.
Intelligente und vernetzte Geräte
Durch Vernetzung und ein smartes Energiemanagementsystem lassen sich elektrische Haushaltsgeräte effizient betreiben. Hausbesitzer können zum Beispiel ihre Waschmaschine und ihren Wäschetrockner so programmieren, dass sie mit der Arbeit erst dann beginnen, wenn die Photovoltaikanlage gerade viel Strom erzeugt oder wenn der Strom am günstigsten ist. Für das Plus an Sicherheit lassen sich die Geräte von außerhalb des Hauses steuern.
Zentrale Steuerung der Energieversorgung
Eine intelligente zentrale Haussteuerung sorgt dafür, dass Energie nur dann eingesetzt wird, wenn sie gebraucht wird. Sogenannte Smart-Home-Lösungen verbinden dabei Erzeugung und Verbrauch. Die Regulierung der Raumtemperatur, Belüftung, Beleuchtung und sogar das Öffnen und Schließen von Jalousien und Fenstern erfolgt automatisch oder wird per Smartphone, Tablet und Sprachassistent gesteuert.